Nachgefragt zur Bundestagswahl: DStV-Präsident Lüth im Austausch mit MdB Beck (Bündnis 90/Die Grünen)
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Die neue Legislaturperiode naht in großen Schritten. Die Erwartungen der steuerberatenden Praxis an die künftige Bundesregierung sind angesichts der aktuellen Herausforderungen hoch. Wie stehen die maßgeblichen Entscheidungsträger aus dem Deutschen Bundestag dazu? DStV-Präsident StB Torsten Lüth hakt bei ihnen in der Reihe „3 Fragen – 3 Antworten“ nach.
„Die Schwäche der deutschen Wirtschaft ist chronisch geworden“, bemerkt das ifo Institut im aktuellen ifo Geschäftsklimaindex (Dezember 2024). Auch der steuerberatende und wirtschaftsprüfende Berufsstand ist geplagt von überbordender Bürokratie, komplexer und unsicherer Steuergesetzgebung. On top belasten ihn Rechtsunsicherheiten sowie ein ausgeprägter Fachkräftemangel. Gute steuer- und berufsrechtliche Rahmenbedingungen und umsetzbare, digitale Prozesse sind für die Arbeit der Steuerberaterinnen und Steuerberater sowie der Finanzverwaltung essenziell. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) richtete seine Anregungen zur Verbesserung der Situation bereits im Dezember 2024 an die politischen Ansprechpartner (vgl. DStV-Information vom 17.12.2024).
Nun hat DStV-Präsident Lüth mit den folgenden drei Fragen bei der finanzpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, MdB Katharina Beck, nachgefasst.
Frage 1: Die E-Rechnung gilt als Digitalisierungsbooster. Im Rahmen des europarechtlich vorgegebenen ViDA-Pakets sollen die Mitgliedstaaten bis zum 01.07.2030 ein digitales Meldesystem einführen. Danach sind grenzüberschreitende Umsätze zwingend zu melden, nationale können optional einbezogen werden. Offen ist jedoch die Ausgestaltung des Meldesystems. Hier hat Deutschland einen eigenen Spielraum. Unter Beachtung des Datenschutzes muss der Gesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode entscheiden, wer das System betreibt und damit die Datenhoheit innehat. Ebenso bedarf es eines effizienten Systems, welches den Aufwand für alle Verfahrensbeteiligten geringhält. Zur Vermeidung zusätzlicher Bürokratie auf Seiten des Unternehmers und der Finanzverwaltung wäre etwa eine zeitgleiche Einbindung des steuerberatenden Berufsstands in den Datenaustausch zielführend.
Welche Ausgestaltung des digitalen Meldesystems streben Sie unter Berücksichtigung vorgenannter Aspekte an?
MdB Katharina Beck:
Das Ziel ist eine effiziente, transparente und bürokratiearme Lösung, die Unternehmen entlastet und gleichzeitig Steuerbetrug wirksam bekämpft. Wir befürworten bei der Umsetzung der ViDA-Initiative ein einheitliches digitales Meldesystem mit hohen Datenschutzstandards und interoperablen Schnittstellen. Einer effizienten Einbindung des steuerberatenden Berufsstands stehen wir positiv gegenüber. Dabei sollte der Aufwand für die Verwaltung minimal gehalten werden und gut ausgewogen sein, damit auch der Datenschutz gewährleistet ist. Insbesondere für KMU werden wir mögliche, durch die ViDA vorgesehene Erleichterungen prüfen.
Frage 2: Der demografische Wandel hat weitreichende Folgen, auch für die steuer- und rechtsberatenden Berufe sowie die Finanzverwaltung. Der Mangel an Arbeitskräften schränkt Steuerberaterinnen und Steuerberater in ihrer Geschäftstätigkeit und bei der Ausübung ihrer Funktion als Organ der Steuerrechtspflege ein. In der Finanzverwaltung ist ein effizienter Steuervollzug mit zeitnahen Außenprüfungen sowie Rechts- und Planungssicherheit nicht möglich. Eine Vereinfachung des Steuerrechts könnte daher ein guter Anknüpfungspunkt sein, um hier Entlastung zu schaffen. Die vom BMF eingesetzte Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ hat im vergangenen Jahr bereits gute Empfehlungen erarbeitet. Die Einführung einer Rentenabzugsteuer, die Konzeption einer Arbeitstagepauschale zur Abgeltung der Aufwendungen für häusliches Arbeiten und der Fahrtwege oder eine Reform der Vorgaben für die Abschreibung von beweglichen Wirtschaftsgütern sind einige der Vorschläge.
Mit welchen Steuervereinfachungen können der Bürokratie- und Verwaltungsaufwand in Steuerberatung und Finanzverwaltung aus Ihrer Sicht reduziert und damit die Folgen des demografischen Wandels abgemildert werden?
MdB Katharina Beck:
Die Vorschläge der Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ haben wir mit großem Interesse zur Kenntnis genommen und schauen, wie wir Vorschläge davon in die Umsetzung bringen können, so z. B. die Idee einer Tagespauschale für Arbeitnehmer*innen. Für eine Vereinfachung bei der Berücksichtigung von Werbungskosten bei Arbeitnehmer*innen planen wir Grünen konkret den Arbeitnehmerpauschbetrag auf mindestens 1.500 Euro anzuheben, was die einzelne Geltendmachung für den überwiegenden Anteil der Bevölkerung überflüssig machen dürfte. Eine Erleichterung versprechen wir uns auch durch die weiter voranschreitende Digitalisierung der Finanzämter, die automatisierte Prüfungen auch unter Einsatz von KI ermöglichen wird – dafür setzen wir uns aktiv ein. Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von zusätzlicher Komplexität im Steuerrecht war der Verzicht auf die sog. Mobilitätspauschale in der vom BMF vorgeschlagenen Form richtig. Dieser Vorgang sollte Anlass geben, zu prüfen, inwiefern sich viele und oft kleinteilige Einzelregelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Aufwendungen in einigen wenigen Instrumenten zusammenfassen lassen. Zum besseren Verständnis von Bürger*innen und Bürgern trüge zudem bei, wenn die Absetzbarkeit von der Bemessungsgrundlage – wo immer möglich – durch einen Abzug von der Steuerschuld ersetzt werden würde. Die Befugnisse anderer beratender Berufe wie Bilanzbuchhalter*innen und Steuerfachwirt*innen würden wir gerne erneut in den Dialog auch mit der steuerberatenden Zunft aufnehmen, um auch hier mögliche Entlastungs- bzw. Ergänzungspotenziale heben zu können, beispielsweise bei der Einrichtung von Konten.
Frage 3: Um dem zunehmenden Fachkräftemangel in den Kanzleien zu begegnen und etwa den Unternehmensmandaten die gewohnte Unterstützung anbieten zu können, ist eine zukunftsgerichtete Förderung des Berufsnachwuchses unerlässlich. Entscheidend für den Berufszugang ist die erfolgreiche Absolvierung der Steuerberaterprüfung. Das derzeitige Verfahren einer zeitlich konzentrierten Blockprüfung schafft eine stressbelastete Prüfungssituation, die insbesondere auf junge Menschen zunehmend abschreckend wirkt. Ein modularisiertes Verfahren und eine zeitliche Abschichtung von Prüfungsleistungen kann aus unserer Sicht eine ansprechende Alternative bedeuten. Auch eine Aufhebung der derzeitigen Beschränkung der Wiederholungsversuche sowie eine weitergehende Öffnung bei den geeigneten Hochschulabschlüssen kann dazu beitragen, die Steuerberaterprüfung für interessierte junge Menschen attraktiver zu gestalten.
Wie stehen Sie zu den Überlegungen, über eine modernisierte Steuerberaterprüfung den Zugang zum Steuerberaterberuf zu verbessern und damit den Fachkräftemangel zu bekämpfen?
MdB Katharina Beck:
Den dargelegten Vorschlägen bzgl. der Reform der Steuerberaterprüfung stehen wir offen gegenüber. Sowohl das Prüfungsverfahren in modularisierter Form, das Wegfallen der Beschränkung hinsichtlich der Häufigkeit der Wiederholungsprüfungen, den Wegfall des Fakultätsvorbehaltes als auch das Erbringen der erforderlichen berufspraktischen Zeiten zum Zeitpunkt der Bestellung sehen wir als sinnvolle Ansatzpunkte für eine Reform an.
Gleichzeitig erachten wir es als adäquat, den vorgebrachten europarechtlichen Kritikpunkten einer zu restriktiven Auslegung des deutschen Berufsrechts der Steuerberater*innen ggü. anderen Berufsgruppen zu begegnen und eine begrenzte Öffnung bestimmter Vorbehaltsaufgaben für qualifiziertes Fachpersonal zu ermöglichen. Hier ist uns der konstruktive Dialog mit allen beteiligten Gruppen besonders wichtig, damit eine für alle gut tragbare Lösung herauskommt, die sowohl das Fachkräfteproblem gut löst als auch die Qualitätssicherung gewährleistet.
Bleiben Sie dran!
Im vierten Teil der Reihe „3 Fragen – 3 Antworten“ erfahren Sie die Sicht des finanzpolitischen Sprechers der FDP, MdB StB Markus Herbrand.