Mit steuerlichem "Wumms" aus der Corona-Krise?
Die Pandemie ist zur Wirtschaftskrise erwachsen. Mit aller Kraft versucht die Bundesregierung, die Schäden zu begrenzen auch mit steuerlichen Hebeln. Bereits die Anhörung im Deutschen Bundestag zum 1. Corona-Steuerhilfegesetz offenbarte, welche Herausforderungen sich dabei ergeben. Der DStV setzte sich als Sachverständiger für die Stärkung der Liquidität von KMU und Rechtssicherheit ein. Seit Beginn der Corona-Krise haben Bund und Länder mit beeindruckender Geschwindigkeit und Flexibilität untergesetzlich auf die Liquiditätsprobleme der Steuerpflichtigen reagiert. Nach dem anfänglichen Corona-Schock war es jedoch höchste Zeit, auch gesetzlich die Bewältigung der Krise in steuerlicher Hinsicht anzugehen. Beherzt und mit ebensolchem Tempo startete die Koalition den parlamentarischen Betrieb: Auf das 1. Corona-Steuerhilfegesetz im Mai folgte zügig das 2. Corona-Steuerhilfegesetz im Juni. Das 1. Corona-Steuerhilfegesetz kam sehr schlank daher. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) regte daher in seiner Stellungnahme S 04/20 zum Regierungsentwurf (BT-Drs. 19/19379) dringende Maßnahmen an. In der Anhörung des Deutschen Bundestags fokussierte er sich als Sachverständiger auf Vorschläge, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) unterstützen würden. Die Hinweise des DStV schlugen sich erfreulicherweise teilweise bereits im 1. Corona-Steuerhilfegesetz nieder, welches Anfang Juni den Bundesrat passiert. Weitere DStV-Anregungen fanden Eingang in den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 2. Corona-Steuerhilfegesetz vom 12.6.2020.
Absenkung des Umsatzsteuersatzes als Heilmittel? Der Entwurf zum 1. Corona-Steuerhilfegesetz sah unter anderem vor, dass der Umsatzsteuersatz für nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2021 erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken von 19 % auf 7 % abgesenkt wird. Schon in dem Hearing Ende Mai zeichnete sich ab, dass dieser Konjunkturhebel mit viel Aufwand in der Praxis verbunden sein und die beabsichtigte Wirkung möglicherweise nicht eintreten wird. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) begrüßte die Maßnahme in dem Hearing zwar. Dennoch wies er darauf hin, dass die nur teilweise Absenkung zu Abgrenzungsschwierigkeiten etwa bei der Gestellung von Frühstück in der Hotellerie führen werde.
Insbesondere die Sachverständigen aus der Wissenschaft ließen kein gutes Haar an der Maßnahme. Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) hob unter anderem hervor, dass das Ziel des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nicht nachvollziehbar sei. Sollte es das Ziel sein, einen zusätzlichen Nachfrageimpuls zu setzen (unter der Annahme der Weitergabe der reduzierten Steuerbelastung auf die Verkaufspreise), könne dieser Impuls allenfalls gering ausfallen. Sollte es hingegen das Ziel sein, bei Annahme unveränderter Preise die Steuerbelastung der Restaurant- und Verpflegungsdienstleister zu reduzieren, erfolge dies unsystematisch und wettbewerbsverzerrend. Prof. Dr. Christoph Spengel (Universität Mannheim) forderte nachdrücklich einen Verzicht auf die Umsatzsteuersenkung. Sie sei denkbar ungeeignet, systematisch fragwürdig, populistisch und ganz und gar nicht zielführend. Er empfahl vielmehr direkte und kalkulierbare Liquiditätshilfen für alle von der Krise betroffenen Branchen. Prof. Dr. Johanna Hey (Universität zu Köln) äußerte ebenfalls erhebliche Vorbehalte. Wie Feld betonte Hey etwa, dass es an einer klaren Zielvorgabe fehle, was durch die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes bewirkt werden solle. Eine sinnvollere umsatzsteuerliche, liquiditätsschonende Maßnahme wäre nach Hey beispielweise eine temporäre Erweiterung der Ist-Besteuerung wie sie auch der DStV in seiner Stellungnahme S 04/20 anregte. Allen Warnungen zum Trotz passierte die geplante Regelung unverändert den Bundestag und Bundesrat (BR-Drs. 290/20 / BR-Drs. 290/20(B)). Der Koalitionsausschuss legte unbeirrt nach. Auf Basis seines Beschlusses vom 3.6.2020 senkte die Bundesregierung in ihrem Entwurf für das 2. Corona-Steuerhilfegesetz die Umsatzsteuersätze gänzlich auf 16 % und 5 % herab - für ein halbes Jahr ab 1.7.2020. Verbesserung des steuerlichen Verlustabzugs hoch im Kurs Mit ihrem Antrag Verbesserte Verlustverrechnung zur Linderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Epidemie gesetzlich und rechtssicher ermöglichen sprach die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einer ganzen Reihe von Sachverständigen aus dem Herzen.
Die Fraktion führte darin unter anderem aus, dass die im Wege einer Verwaltungsanweisung von Bund und Ländern eröffnete pauschalierte Verlustverrechnung
hinter dem zurückbleibt, was in der aktuellen Krise möglich und nötig ist, um vor der Krise wirtschaftlich gesunde Unternehmen und Selbstständige bei der Bewältigung der aktuellen Situation zu unterstützen (BT-Drs. 19/19134). Zur weiteren Milderung der wirtschaftlichen Folgen der Epidemie schlug die Fraktion unter anderem vor, Verluste aus 2020 mehrere Jahre rücktragbar zu machen - höchstens bis ins Jahr 2016. Der DStV begrüßte den Vorstoß in dem Hearing außerordentlich. Das BMF-Schreiben vom 24.4.2020 zum Antrag auf pauschalierte Herabsetzung bereits geleisteter Vorauszahlungen für 2019 sei zwar in der Zielsetzung gelungen. Es stoße aber an die vorgegebenen Grenzen nach § 10d EStG. KMU etwa könnten die Erleichterungen des BMF-Schreibens nicht für Steuerzahlungen für 2018 nutzen auch wenn sie in den Jahren vor 2019 erfolgreich steuerpflichtige Gewinne erwirtschaftet hätten. Feld ging einen großen Schritt weiter: In Krisenzeiten sei eine generöse Ausweitung der Verlustverrechnung wie eine Anhebung des Abzugsvolumens - das einzige wirksame und zielgenaue Mittel zur Stabilisierung der Konjunktur. Vor der Corona-Krise gute Vorschläge wie Steuersatzsenkungen, Tarifanpassungen oder der vollständige Abbau des Solis müssten hintenangestellt werden. Feld betonte, dass es jetzt darauf ankäme, den Staat nicht finanziell zu überfordern und die Mittel effektiv einzusetzen. Pläne wie Kaufprämien oder Familienbonusse seien insofern nachdrücklich abzulehnen. Ihre Wirkung würde verpuffen und wenn überhaupt - nur einzelne Branchen stützen. Etliche Sachverständige aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis wie Hey, RAin Dr. Monika Wünnemann (BDI), Dr. Rainer Kambeck (DIHK) und der DStV - teilten seine Sichtweise. Trotz der großen Zustimmung vieler Sachverständiger fand der Vorschlag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keinen Eingang in das 1. Corona-Steuerhilfegesetz. Die Bundesregierung fasste sich allerdings ein Herz und griff in ihrem Entwurf des 2. Corona-Steuerhilfegesetzes zumindest die Anhebung des Abzugsvolumens auf. Rechtssicherheit für steuerfreien Corona-Bonus für Arbeitnehmer Dem Finanzausschuss war es ein großes Anliegen, kurzfristig Rechtssicherheit für Arbeitnehmer zu schaffen: Mit dem BMF-Schreiben vom 9.4.2020 stellten Bund und Länder Beihilfen und Unterstützungen des Arbeitgebers an dessen Arbeitnehmer zwischen dem 1.3.2020 und 31.12.2020 bis zu einem Betrag von 1.500 Euro steuerfrei. Rechtsgrundlage sollte laut der Verwaltungsanweisung § 3 Nr. 11 EStG sein. Dies führte in der Praxis zu etlichen Fragen.
Der DStV schilderte in dem Hearing die Unsicherheiten der Praxis und regte eine gesetzliche Grundlage an. Dabei müsse aber darauf geachtet werden, dass der in der Verwaltungsanweisung gemeinte Anwendungsbereich nicht eingeschränkt werde. Es dürfe kein praktischer Mehraufwand durch nachträgliche Korrekturen von Lohnsteuer-Anmeldungen entstehen. Zudem könnten es Arbeitnehmer nicht nachvollziehen, wenn ihnen nachträglich nach Erhalt der Zahlungen die Boni wieder entzogen würden. Thomas Eigenthaler (Bundesvorsitzender Deutsche Steuer-Gewerkschaft) und Hey forderten gleichfalls die Schaffung einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für die Steuerfreiheit des sogenannten Corona-Bonus. Die Steuerfreiheit sei nicht durch die bisherige Rechtslage gedeckt. Sie könne künftig in gerichtlichen Streitigkeiten kippen. Der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags berücksichtigte die Hinweise der Sachverständigen und führte einen § 3 Nr. 11a EStG ein (BT-Drs. 19/19601). Liquidität von KMU schonen Der DStV nahm in der Anhörung zudem die Nöte von KMU in den Fokus. Der Gesetzgeber müsse etwa die negativen Folgen eines für 2017 gebildeten Investitionsabzugsbetrags (IAB) zeitnah abmildern. Aufgrund des gesetzlich vorgesehenen Investitionszeitraums sei der Unternehmer 2020 entweder gezwungen, das geplante Wirtschaftsgut anzuschaffen. Oder er müsse den IAB rückwirkend, im Ursprungsjahr (2017) gewinnerhöhend auflösen. Dadurch treffe ihn eine höhere Steuerlast. In beiden Konstellationen gehe dem KMU Liquidität verloren. Diese benötige das Unternehmen in Corona-Krisenzeiten an anderer Stelle dringender. Der DStV forderte, den Investitionszeitraum für die Fälle, in denen IAB für 2017, für 2018 und für 2019 gebildet wurden, die bisher nicht aufgelöst worden seien, von 3 auf mindestens 6 Jahre zu verlängern. Die Bundesregierung verlängerte die 2020 endende Frist für die Verwendung von IAB in dem Entwurf des 2. Corona-Steuerhilfegesetzes immerhin um ein Jahr. Konjunkturpaket zur Bewältigung der Corona-Krise in Sicht Das Hearing zum 1. Corona-Steuerhilfegesetz stand im Schatten der Verhandlungen der Bundesregierung über das groß angelegte Konjunkturprogramm. Entsprechend intensiv warben etliche Sachverständige für ihre Wunschlisten. Auch der DStV hatte einige, weitere Anregungen im Gepäck, die er in seiner Stellungnahme S 04/20 geltend machte. Er richtete dabei das Augenmerk auf branchenübergreifende und nachhaltige Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals und der Liquidität sowie zum Bürokratieabbau. Sie sind nach Auffassung des DStV Garanten dafür, dass Unternehmen aus eigener Kraft besser durch unerwartete Krisen kommen. Mit von der Partie waren etwa:
- die Aussetzung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen aus Corona-Krediten,
- die Stärkung der Thesaurierungsbegünstigung und damit der Eigenkapitalquote von KMU,
- die Erleichterung des Verfahrens zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer durch ein Verrechnungsmodell,
- die Aufhebung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge,
- die Anhebung der umsatzsteuerlichen Istbesteuerungs- und der Buchführungsgrenzen,
- die krisengerechte Ausgestaltung der erbschaftsteuerlichen Mindestlohnsumme.