3 Fragen an MdB Lisa Paus (Bündnis90/Die Grünen) - finanzpolitische Sprecherin



Ein Blick auf steuerpolitische Weichen vor der Bundestagswahl

 

Der steuerberatende und wirtschaftsprüfende Berufsstand hat sich im Rahmen der Krisenbewältigung der Corona-Pandemie als verlässlicher Partner für Wirtschaft und Politik erwiesen. Dafür nimmt er derzeit außerordentliche Belastungen in Kauf. Natürlich stellen sich viele Mitglieder die Frage, wie es nach der Wahl weitergeht - welche steuerpolitischen Rahmenbedingungen für sie in der kommenden Legislaturperiode herrschen. Insbesondere fürchten viele zunehmende Bürokratie, die den Kanzleialltag weiter erschweren würde. Gern möchten wir Ihnen zu möglichen Be- bzw. Entlastungen 3 konkrete Fragen stellen:

 

Frage 1: Das Vorhaben zur Modernisierung der Thesaurierungsbegünstigung für Personenunternehmen und Einzelunternehmer hat die Politik bereits seit vielen Jahren auf dem Zettel. Erst jüngst sollten die steuerlichen Rahmenbedingungen für mittelständische Personengesellschaften und Familienunternehmen mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts verbessert werden. Problematisch hieran: Das mit dem Gesetz neu eingeführte sog. Optionsmodell ist allenfalls für große Gesellschaften mit deutlichem Thesaurierungspotential interessant. Wie wollen Sie künftig die besonderen Bedürfnisse des Mittelstands – dem „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ – stärker berücksichtigen und eine Stärkung der Eigenkapitalbasis von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erreichen?

 

MdB Lisa Paus:

Union und SPD haben jahrelang über eine Reform der Unternehmensbesteuerung gestritten, ohne wirklich sinnvolle und nachhaltige Reformen auf den Tisch zu legen. Zum Ende der Legislaturperiode haben sie dann eine Reihe schlecht gemachter Gesetze erlassen, die in ihrer Wirkung das Ziel, bürokratische und finanzielle Entlastungen für die Unternehmen zu schaffen, völlig verfehlen. Der Entwurf des „Körperschaftsteuermodernisierungsgesetzes“ wurde so kurzfristig und überhastet vorgelegt, dass den betroffenen Verbänden kaum Zeit blieb, ernsthaft Stellung zu beziehen. Schon in der öffentlichen Anhörung wurden massive Zweifel an der Umsetzbarkeit des Optionsmodells in der angedachten Form offenkundig, sowohl bei den Unternehmen, als auch in der Finanzverwaltung. Trotzdem wurde das Gesetz gegen unsere Empfehlung beschlossen.

Dabei gibt es eine einfache und unbürokratische Maßnahme, mit der insbesondere kleine und mittlere Unternehmen schnell und zielgenau aus der Krise heraus und in ein Investitionsjahrzehnt hineingeholfen werden könnte: Die Modernisierung der Thesaurierungsbegünstigung. Die steuerliche Förderung ist notorisch untergenutzt, nur wenige tausend Unternehmen nehmen sie überhaupt in Anspruch. Dabei ist die Stärkung der Eigenkapitalbasis gerade durch die reservezehrende Pandemie ein wichtiger Aspekt der Unternehmensplanung.

In ihrer jetzigen Form leidet die Thesaurierungsbegünstigung sehr am lock-in Effekt des § 34a Abs. 4 EStG. Viele sehen sich gezwungen, dem Unternehmen, vor der Thesaurierung, Altgewinne vollständig zu entnehmen. Insbesondere KMU werden so von der Inanspruchnahme abgehalten. Den Mechanismus wollen wir aufbrechen und Entnahmen bis zu einer Höhe von 100.000 € ohne Beachtung der Einlagereihenfolge ermöglichen. Damit wird die Gewinnthesaurierung auch für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv.

 

Frage 2: Die lange Dauer steuerlicher Außenprüfungen ist für viele Unternehmen und deren steuerliche Berater eine echte Belastung. Gerade KMU beklagen die langanhaltende Rechtsunsicherheit, die oftmals mit finanziellen Risiken und bürokratischem Aufwand zur Ermittlung der Sachverhalte einhergeht. Europäische Nachbarländer, wie Österreich oder die Niederlande, wirken dem bereits mit dem Konzept der begleitenden Kontrolle entgegen. Wie kann die steuerliche Außenprüfung, gerade für KMU, besser ausgestaltet werden?

 

MdB Lisa Paus:

Die Finanzverwaltung muss insgesamt endlich vollständig digitalisiert und modernisiert werden – insbesondere was die Schnittstelle zu Unternehmen und ihren steuerlichen Beratern angeht. Gleichzeitig muss den Behörden genügend Personal zur Verfügung stehen. Aufgrund ihrer föderalistischen Struktur liegt die Finanzverwaltung – und damit auch die Außenprüfung – in der Hand der Länder. Etliche Versuche, den Steuerföderalismus zumindest punktuell zu reformieren, haben letztlich zu einem kompromissgeprägten Kompetenzgefüge geführt, in dem die Außenprüfung sowohl von den Landesfinanzbehörden als auch vom BZSt vorgenommen wird. Damit verbunden ist ein enormer Bürokratieaufwand auf beiden Seiten, vor allem aber auch große Rechtsunsicherheit für die geprüften Unternehmen. Wir fordern daher schon lange die Einführung einer leistungsfähigen Bundessteuerverwaltung, zumindest im Bereich großer Konzerne und für Personen mit besonders hohem Einkommen.

Die Prüfung auf Bundesebene hätte erhebliche Vorteile für die geprüften Unternehmen. Zum einen wären die nach Ländern jeweils unterschiedlichen Handhabungen der Steuerfälle angeglichen. Zum anderen ist das Steuerrecht bereits jetzt äußerst kompliziert. Neben der Komplexität des materiellen Steuerrechts bedingt der föderale Steuervollzug auch eine immer schwieriger zu durchdringende formelle Rechtsmaterie, geprägt von besonderen Regelungen in jedem Bundesland. Das Verfahrensrecht ist so Ursache großer bürokratischer Erschwernisse. Eine Bundessteuerverwaltung würde das Steuerrecht „glattziehen“ und vereinfachen.

 

Frage 3: Mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen treffen den Berufsstand zusätzliche Meldepflichten. Ziel der Pflicht soll sein, unliebsame Steuergestaltungen frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Die Evaluation, ob die Anzeigepflicht den gewünschten Erfolg hat, ist noch offen. Dies dürfte erst eine gesamteuropäische Betrachtung zeigen können. Nichtsdestotrotz diskutieren einige politische Vertreter bereits jetzt eine ergänzende Mitteilungspflicht für nationale Gestaltungen. Dies dürfte zu einem signifikanten Mehraufwand, Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisiken für Steuerpflichtige und ihre Berater führen. Gerade kleine und mittlere Kanzleien fürchten die damit verbundene Bürokratie bei ohnehin knappen Personalressourcen und die Belastung des meist langjährig gewachsenen Mandatsverhältnisses. Wie stehen Sie zu dem Vorstoß, Anzeigepflichten für rein nationale Steuergestaltungen zu implementieren?

 

MdB Lisa Paus:

Aus dem Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz ergibt sich die Verpflichtung, alle Menschen gleich zu behandeln. Hieran knüpft auch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung an. Ob die gewollte Steuerbelastung auch tatsächlich gleichmäßig umgesetzt wird, sollte der Gesetzgeber laufend überprüfen. Momentan dauert es zu lange bis Steuergestaltungen, die zwar legal, aber nicht im Sinne des eigentlichen Gesetzes sind, beendet und Steuerschlupflöcher geschlossen werden können. Daher begrüßen wir Grünen die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen ins deutsche Recht.

Doch missbräuchliche Steuergestaltung findet leider nicht nur grenzüberschreitend statt. Die Finanzministerkonferenz der Bundesländer hatte sich daher vor Jahren bereits darauf verständigt, dass die gleiche Logik, welche bei der Mitteilungspflicht grenzüberschreitender Steuergestaltungen greift, und alle vorgetragenen Argumente auch für innerstaatliche Gestaltungen, die wir hier in Deutschland haben, gelten sollten. Die Bundesregierung ist der Empfehlung der Länder jedoch nicht nachgegangen. Dass eine Anzeigepflicht nationaler Gestaltungen funktioniert, zeigen die Erfahrungen anderer Staaten. In den USA, Kanada, Portugal, Irland und Großbritannien gibt es sie bereits - und sie wirkt.

Die Regelung muss auch kein Bürokratiemonster sein. Es könnten sinnvolle Kriterien zur Meldepflicht bestimmt werden. Zudem würde es Größenausnahmen geben. Es ist wahrscheinlich, dass eine Anzeigepflicht nationaler Gestaltungen nicht einmal 1 % der Steuerpflichtigen treffen würde. Ein Großteil der Steuerberater, gerade der kleineren Kanzleien, würde für ihre Mandanten nichts melden müssen. Das Mandatsgeheimnis sowie das darauf gegründete Vertrauensverhältnis hat für uns höchste Priorität und muss natürlich gewahrt und geschützt bleiben.

Bürokratieabbau an anderer Stelle ist aber auch für uns wichtig – insbesondere für kleine Unternehmen, aber auch für den Mittelstand. Wir wollen, dass Regeln für Unternehmen und ihre Steuerberater spürbar unbürokratischer werden, damit ihnen mehr Zeit fürs Eigentliche bleibt. Wir wollen Abschreibungen und Umsatzsteuer vereinfachen, Gründungen von nicht unbedingt nötigen Melde- und Berichtspflichten befreien und weniger Behördengänge durch eine digital besser aufgestellte Verwaltung. Damit neue Gesetze nicht zur Belastung für den Mittelstand werden, wollen wir flächendeckende KMU-Tests einführen.

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