Zeit ist (Steuer-)Geld
Mit seinem legislativen Initiativbericht einschließlich Empfehlungen zu einer fairen und einfachen Besteuerung erhöht das EU-Parlament den zeitlichen Druck für Reformen, insbesondere bei der Mehrwert- und Unternehmensteuer.
Aufgrund der Ausgestaltung der Europäischen Verträge sitzt das EU-Parlament bei der Steuerrechtsgesetzgebung nicht mit am Verhandlungstisch. Dies hält die EU-Abgeordneten aber keineswegs davon ab, sich bei europäischen Steuerinitiativen gegenüber der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten Gehör zu verschaffen. So war es auch bei der Abstimmung des Berichts mit Empfehlungen zu einer fairen und einfachen Besteuerung vom 10.3.2022 (2020/254/INL) der Fall, bei dem das EU-Parlament zur Umsetzung des gleichnamigen Aktionsplans der EU-Kommission Stellung bezog. Der Aktionsplan aus dem Jahr 2020 stellt insgesamt 25 Initiativen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung sowie zur Beseitigung unnötiger Hindernisse und des bürokratischen Aufwands für die Steuerpflichtigen in Aussicht.
Dabei übte das EU-Parlament insbesondere Druck auf die Zeitpläne der EU-Kommission zur Veröffentlichung einzelner Initiativen, insbesondere im Bereich der Mehrwert- und Unternehmensteuer aus.
So wollten die EU-Abgeordneten etwa, dass die EU-Kommission bereits bis zum Jahr 2023 auf ein einheitliches, digitales Mehrwertsteuererfassungssystem und eine einheitliche EU-Mehrwertsteuernummer hinarbeitet, insbesondere um die Befolgungskosten von im Binnenmarkt tätigen KMU zu verringern.
Außerdem forderten sie die umgehende Einführung eines unionsweiten Standards für die elektronische Rechnungsstellung und die Festlegung auf eine elektronische Echtzeitberichterstattung. Ein solches Verlangen dürfte bei Mitgliedstaaten, die kein Echtzeitsystem zur elektronischen Rechnungsstellung eingeführt haben oder planen, wenig Begeisterungstürme auslösen.
Zudem soll nach dem Willen der EU-Abgeordneten die elektronische Rechnungslegung bis zum Jahr 2023 unionsweit schrittweise eingeführt werden. Inwieweit sich EU-Länder, wie Deutschland, deren Einführung einer elektronischen Rechnungsstellung noch in die Planungsphase „Brainstorming“ einzustufen ist, jedoch auf eine solche Forderung einlassen werden, dürfte eher fraglich sein. Zudem solle, so das EU-Parlament, die Ausstellung von Rechnungen nur über staatlich betriebene bzw. zertifizierte Systeme erfolgen, wobei uneingeschränkter Datenschutz gewahrt werden soll.
Insgesamt darf der Zeitplan, den das EU-Parlament bei seinen Forderungen aufstellt, als sehr ambitioniert bezeichnet werden und muss sicherlich unter dem strategischen Aspekt der Erhöhung des Drucks auf die EU-Kommission zu sehen sein, doch in Bälde ihre legislativen Vorschläge zu veröffentlichen.
Bei all dem zeitlichen Druck mahnt der Deutsche Steuerberaterband e.V. (DStV), dass Sorgfalt und Qualität der jeweiligen Vorschläge wichtiger sind als jeder legislative Schnellschuss. Schließlich hat auch das EU-Parlament selbst sich für die Verabschiedung des gegenständlichen Berichts, von der Ernennung des Berichterstatters am 28.10.2020 bis zu seiner Abstimmung am 10.3.2022, durchaus Zeit gelassen.