Eine 28. Rechtsordnung zur EU-Unternehmensbesteuerung?

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Die EU-Kommission will innovativen Unternehmen künftig die Wahl lassen, ob sie weiterhin Aspekte des nationalen Rechts der Unternehmensbesteuerung oder aber ein optionales EU-Recht anwenden wollen. Dazu hat der DStV im EU-Konsultationsverfahren Stellung bezogen.

Die 28. Rechtsordnung oder das 28. Regime bezeichnet ein gemeinsames EU-Recht, das optional neben den 27 Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten besteht. Die Rechtsanwender sollen die Wahl haben, ob sie das nationale Recht oder optional das EU-Recht nutzen wollen.

Die Idee der Einführung einer 28. Rechtsordnung ist nicht neu. Bereits im Jahr 2011 unterbreitete die EU-Kommission einen Vorschlag für ein optionales gemeinsames europäisches Kaufrecht (CESL - Common European Sales Law). Damals lehnte der EU-Gesetzgeber den Vorschlag allerdings ab.

In ihrer Mitteilung „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ (COM /2025) 30 final) kündigte die EU-Kommission nun einen neuen Vorschlag für eine 28. Rechtsordnung an, die unter anderem Aspekte des Steuerrechts vereinfachen soll.
Zudem stellt die EU-Kommission in ihrer Aufforderung zur Teilnahme an der Stellungnahme für eine Start-Up und Scale-Up-Strategie (Ares: (2025) 1232781) auf die Problematik des komplexen Umfelds mit unterschiedlichen Normen für die direkte Besteuerung im EU-Binnenmarkt ab. Für diese Unternehmen will die EU-Kommission die nationalen Barrieren des Steuerrechts im Binnenmarkt abbauen. Innovative Unternehmen sollen im EU-Binnenmarkt die Vorzüge eines einheitlichen Regelwerks nutzen, dadurch möglichst ungehindert wachsen und damit zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa beitragen.

Das klingt erstmal hübsch. Bei näherer Betrachtung gedeiht aber weniger die Wettbewerbsfähigkeit, sondern wachsen beträchtliche Bedenken, gegen ein solches Vorhaben.

Abgrenzung innovative und nicht innovative Unternehmen
Zuerst einmal müsste geklärt werden, was innovative Unternehmen sind. Eine Abgrenzung dürfte sich als schwierig gestalten, da sie nicht allein auf einzelne Sektoren, Management oder Skalierbarkeit zu begrenzen ist.

Gefahr der Wettbewerbsverzerrung
Auch dürften alle anderen Unternehmen, die das Attribut „innovativ“ nicht erhalten, kaum mit der vorgenommenen Aufteilung glücklich sein. Insbesondere, weil ihnen im Falle eines verweigerten Wahlrechts bei der Unternehmensbesteuerung ein echter Wettbewerbsnachteil drohen könnte: Innvotive Unternehmen hätten ein steuerliches Wahlrecht, herkömmliche Unternehmen dagegen nicht. Die Öffnung eines solchen Fasses sollte gut überlegt sein, könnte sich dieses doch schnell als wettbewerbsverzerrende Büchse der Pandora erweisen.

Gefahr der Rechtszersplitterung
Ein optionales Wahlrecht erhöht zudem die Gefahr der Zersplitterung des Rechts und wäre damit das Gegenteil zur angestrebten Rechtsvereinfachung. Dies sorgt für Rechtsunsicherheit. Anstelle der Implementierung eines parallelen Rechtssystems sollte das Europäische Steuerrecht weiter harmonisiert werden. Zugegeben: Aufgrund des bestehenden Einstimmigkeitsprinzips in Steuerangelegenheiten ist dieser Weg steinig. Doch ist dieses Verfahren von den Mitgliedstaaten durch die Verträge der Europäischen Union ausdrücklich festgelegt. Sicherlich müssten die Mitgliedstaaten auch die Einführung eines optionalen Steuerrechts für innovative Unternehmen einstimmig verabschieden. Die Hürde im Gesetzgebungsverfahren dürfte also entsprechend hoch sein.

Mehraufwand für den Berufsstand
Insbesondere würde die Einführung eines optionalen EU-Steuerrechts für innovative Unternehmen zu einem Mehraufwand und zu Abgrenzungsproblemen für den Berufsstand führen. Denn es müsste geklärt werden, ob einzelne Mandanten in den Anwendungsbereich des Start-Ups oder Scale-Ups fällt, wobei ein Unternehmen diesen Kategorien immer nur zeitweise zugeordnet werden kann. Schließlich wird aus jedem Start-Up, das die ersten Jahre erfolgreich besteht, irgendwann ein etabliertes Unternehmen.

In seiner Stellungnahme zur Start-Up und Scale-Up-Strategie hat er DStV deshalb die Einführung eines optionalen EU-Steuerrecht für innovative Unternehmen abgelehnt.