ECON-Ausschuss zurück aus der Sommerpause: Von der Ratspräsidentschaft nichts Neues
Der Ausschuss für Wirtschaft- und Währung (ECON) des Europäischen Parlaments startet mit Liveschalte nach Berlin aus der Sommerpause. Bundesfinanzminister Olaf Scholz muss sich dabei kritischen Fragen der Europaabgeordneten stellen. Die Parlamentarier machten deutlich, dass sie von der deutschen Ratspräsidentschaft ein vorausschauendes Agenda-Setting erwarten. Olaf Scholz ist dieser Tage nicht nur Bundesfinanzminister, Vize-Kanzler und Kanzlerkandidat seiner Partei. Während der deutschen Ratspräsidentschaft präsidiert er auch als Vorsitzender des ECOFIN-Ministerrates über die Ratsformation der 27 nationalen Finanzministerinnen und Finanzministern. In dieser Rolle stellte er sich nach der parlamentarischen Sommerpause am 2.9.2020 den Fragen der Mitglieder des Wirtschafts- und Währungsausschusses. Dabei betonte Scholz, dass die Bewältigung der Covid-19-Pandemie zu einem neuen Niveau der europäischen Fiskalpolitik geführt habe, dessen Chancen ergriffen werden müssten. Gemeint ist die gemeinschaftliche Schuldenaufnahme im Zusammenhang mit dem europäischen Wiederaufbauplan.
Scholz verwies darauf, dass mit einer gemeinsamen Schuldenaufnahme auch eine gemeinschaftliche Schuldentilgung einhergehe. Als eine Möglichkeit dies zu erreichen, schlägt der ECOFIN-Vorsitzende die Rückzahlung durch einen geänderten Eigenmittelbeschluss vor. Neue Instrumente zur Generierung von EU-Eigenmittel, wie z.B. die Einführung einer Plastiksteuer, eine Kohlenstoffdioxid-Abgabe und einer europäischen Finanztransaktionssteuer müssten allerdings zunächst ausgestaltet und durch die nationalen Parlamente und Regierungen bestätigt und ratifiziert werden. Eine ambitionierte Aufgabe, die bis Ende des Jahres gelöst werden muss. Andernfalls droht der gefundene Kompromiss zum EU-Haushalt und Aufbauplan zu scheitern. Ein Szenario, das weder im Rat, Ministerrat oder EU-Parlament angestrebt wird. Wie schwierig die Konsensfindung und die Weiterentwicklung im Steuerbereich sein kann, zeigen die Diskussionen auf internationaler Ebene zur Digitalsteuer. Unter Leitung der OECD versuchen 193 Staaten seit 2019 einen modus vivendi zu finden, international agierende Digitalkonzerne zu besteuern. Im Sommer 2020 zogen sich die USA aus den Verhandlungen über eine internationale Steuerreform zurück. Die USA drohen unterdessen Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien mit Vergeltungsmaßnahmen, sollten diese eine nationale Digitalsteuer einführen. Besonders große US-Konzerne wie Google, Amazon, Facebook, Apple (GAFA-Konzerne) wären von den Besteuerungsplänen betroffen. Angesprochen auf diesen Umstand verwies Scholz auf den fortgeschrittenen Verhandlungsstand. Er sei hoffnungsvoll, im Herbst 2020 einen Vorschlag unterbreiten zu können, der auf dem zu findenden Kompromiss der OECD beruhe. Gegen den Alleingang der USA und ihren Drohungen helfe nur eine international geschlossene Allianz, so Scholz. Scholz zeigte Durchhaltevermögen, als er betonte, das Dauerthema Gemeinsame Körperschaftsbemessungsgrundlage (GKB) weiterhin auf der Tagesordnung halten zu wollen. Neben den Vorschlägen der EU-Kommission haben Deutschland und Frankreich hierzu Ideen präsentiert. Mit einer Einigung noch unter deutscher Ratspräsidentschaft ist jedoch nicht zu rechnen. Anders ist die Lage bei der Banken- und Kapitalmarktunion. Dort drängt Scholz auf weitere Entwicklungsschritte. Einigungen würden einen großen Fortschritt für Europa und die Stärkung der europäischen Realwirtschaft bedeuten. Auf Nachfrage der Abgeordneten, wann mit einer Einigung zu rechnen sei, blieb Scholz jedoch auch hier vage. Die anstehenden Wochen werden intensiv für die Mitglieder der europäischen Bürgervertretung. Die 705 Mandatare versuchen Spielraum für Verhandlungen zum mehrjährigen EU-Haushalt zu finden. Aufgrund der komplizierten Kompromissfindung im Frühjahr zwischen den Staats- und Regierungschefs scheint der Raum für parlamentarische Akzente jedoch begrenzt. Dies räumte Scholz zwischen den Zeilen auch ein. Aus Sicht des ECON-Ausschusses war der Auftritt Olaf Scholz also eher ein notwendiger Höflichkeitsbesuch, der weder konkrete Zeitpläne noch den nötigen Handlungsspielraum für parlamentarische Gestaltungsmöglichkeiten beim Festzurren der Milliarden-Budgets beinhaltete. Stand: 3.9.2020