EU-Kommission kündigt Sanktionierung missbräuchlicher Steuerberatung an
Im Herbst will die EU-Kommission einen Legislativvorschlag zur Sanktionierung missbräuchlicher Steuerberatung der steuerberatenden Berufe veröffentlichen. Dies kündigte sie während einer Anhörung im EU-Parlament an. Eine solche EU-Initiative könnte einen Eingriff in das Berufsrecht darstellen und die Mandantenberatung erschweren.
Als Pandora Papers wird das größte Leak über Steueroasen bezeichnet, die das Internationale Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) im vergangenen Jahr publik gemacht hat. Im Nachgang zu den Enthüllungen fand im Unterausschuss für Steuerangelegenheiten (FISC) des EU-Parlaments eine Anhörung statt. Die EU-Abgeordneten befragten dabei Experten darüber, wie die steuerberatenden Berufe künftig reguliert werden könnten, damit ein gerechtes Steuersystem entstünde. Im Verlauf dieser Befragungen kündigte die EU-Kommission an, gegen missbräuchliche Steuerberatung vorgehen zu wollen. Dabei wolle sie die „faulen Äpfel“ der Branche ins Visier nehmen. Zwar plane sie nicht, den Berufsstand allgemein zu regulieren. Sie wolle aber allgemeine Standards zur Sanktionierung missbräuchlicher Steuerberatung einführen. Laut der EU-Kommission soll dabei definiert werden, welche Beratung zukünftig zulässig ist, und welche nicht. Werden die Grenzen zulässiger Beratung überschritten, sollen nach dem Willen der EU-Behörde Sanktionen gegen die Verursacher verhängt werden.
Ein solcher Vorschlag der EU-Kommission könnte sowohl in das Berufsrecht der beratenden als auch der prüfenden Berufe eingreifen und dürfte ein weiterer Schritt hin zur Europäisierung des Berufstands bedeuten.
Aus Sicht des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV) müsste im Falle eines solchen Regelungsvorschlags insbesondere geklärt werden, in welchen Fällen eine missbräuchliche Steuergestaltung vorliegt. Ansonsten drohen erhebliche Rechtsunsicherheit und eine unzumutbare Gratwanderung im Spannungsfeld zwischen den Pflichten gegenüber Mandanten und Steuer-Compliance.
Insbesondere wäre der mutmaßliche, aber nicht kodifizierte Wille des Gesetzgebers, wie etwa in Britannien diskutiert, kein ausreichendes Kriterium, um die Zulässigkeit von Steuerberatung festzulegen. Die Zulässigkeit muss sich nach der festen Überzeugung des DStV an den bestehenden Steuergesetzen ausrichten. Die Einführung weitergehender, auf ethischen Werten basierten Compliance-Regeln mag in der Theorie verlockend klingen. In der Praxis dürften sie sich aber als schwer umsetzbar erweisen.
Andererseits könnte ein solider, praxistauglicher und verhältnismäßiger Vorschlag die Chance bieten, die bestehenden großen Unterschiede bei der Regulierung des Berufstands in den Mitgliedstaaten abzubauen und dessen Ansehen in der öffentlichen Wahrnehmung zu verbessern. Schließlich regulieren zu viele Mitgliedstaaten den Beruf derzeit in nicht ausreichendem Maße. Dies führt nicht allein zu einem Wettbewerb um die niedrigste Vergütung, sondern drängt auch Berufskollegen und Berufskolleginnen dazu, die Grenzen zulässiger Beratung zu überschreiten. Gleichzeitig würde ein solcher Vorschlag nach Ansicht des DStV die bisherige Deregulierungsstrategie der EU-Kommission generell in Frage stellen.
Die EU-Kommission kündigte im weiteren Verlauf der Anhörung an, dass sie den Interessenvertretern vom 12.5.2022 bis zum 20.7.2022 die Möglichkeit einräumen wolle, sich im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zum Thema einzubringen. Die öffentliche Konsultation eröffnet das Gesetzgebungsverfahren. Bei Druckbeginn war die Konsultation noch nicht veröffentlicht. Der Vorschlag dürfte sich also mindestens verzögern.