3 Fragen an MdB Matthias W. Birkwald (Die Linke)



3 Fragen – 3 Antworten: DStV-Präsident StB Torsten Lüth befragt mit Blick auf die Bundestagswahl die Abgeordneten aus den für Berufs- und Europarecht zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages. Der steuerberatende und wirtschaftsprüfende Berufsstand hat sich im Rahmen der Krisenbewältigung der Corona-Pandemie als verlässlicher Partner für Wirtschaft und Politik erwiesen. Dafür nimmt er derzeit außerordentliche Belastungen in Kauf. Natürlich stellen sich viele die Frage, wie es nach der Wahl weitergeht.

Wenige Wochen vor dem Wahltermin hat sich StB Torsten Lüth, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV), mit jeweils drei zentralen Fragen aus den Bereichen Berufs- und Europarecht an die jeweils zuständigen Abgeordneten der Bundestagsfraktionen gewandt. In diesem Beitrag antwortet Matthias W. Birkwald, MdB Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für Arbeit und Soziales. 

Frage 1: Nach unserer Überzeugung entsprechen die Entscheidungen nicht der vom Gesetzgeber mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) geschaffenen Rechtslage und verwehren den Berufsangehörigen ein unmittelbares Tätigwerden in diesem Bereich. Mit Blick auf die Aufgaben, die heute typischerweise von ihnen im Rahmen der Lohnbuchführung erledigt werden, ist eine Klarstellung des Gesetzgebers zu den Kompetenzen der Steuerberater*innen dringend erforderlich, um die aktuelle gesetzliche Schieflage zwischen den wahrgenommenen Aufgaben und den Vertretungsbefugnissen aufzulösen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, die derzeitige unbefriedigende rechtliche Situation zu beseitigen und welche Lösungen würden Sie vorschlagen?

MdB Matthias W. Birkwald: Der Umfang der rechtlichen Vertretungsbefugnis von Steuerberatern ist, wie es juristisch so schön heißt, „streitanfällig“. Die Neuregelung im Jahr 2008, die Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und anderen Berufsgruppen eine sozialgerichtliche Vertretungsbefugnis für Beitragsstreitigkeiten mit den Einzugsstellen und für Betriebsprüfungen im Zusammenhang mit (vorgeblichen) Beschäftigten gegeben hat, war angesichts der großen Kompetenz dieses Personenkreises sinnvoll. Denn Steuerberater beschäftigen sich ja in ihrer außergerichtlichen Tätigkeit regelmäßig mit diesen Fragen. Aber die Regelung ist nicht ganz klar ausgefallen, und das ist tatsächlich unbefriedigend.

Vor allem das Statusfeststellungen nach § 7a SGB IV betrifft ähnliche rechtliche Fragen wie die Betriebsprüfungen, bei denen Steuerberater und Steuerberaterinnen ja eindeutig vertretungsbefugt sind. Hier würden wir gerne eine Erweiterung der Vertretungsbefugnis diskutieren, weil selbst das Bundessozialgericht die Statusfeststellungsverfahren nach § 7 a SGB IV und die Verfahren nach § 28 h u. p SGB IV bezüglich der Feststellung der Versicherungspflicht für inhaltlich gleichwertig hält. Als das Bundessozialgericht 2014 die Vertretungsbefugnis in Statusfeststellungsverfahren verneint hatte, hatte es nur über die Zulässigkeit nach geltendem Recht zu entscheiden. Sein Urteil enthält keine Aussage darüber, ob eine andere gesetzliche Regelung inhaltlich sinnvoll wäre. Aber man muss auch überlegen, ob die Verfahren tatsächlich identisch sind, was z.B. die notwendigen strategischen Überlegungen betrifft. Und man muss überlegen, ob allen Steuerberatern und Steuerberaterinnen damit gedient wäre, wenn ihre Mandanten von ihnen so umfassende rechtliche Kenntnisse erwarten dürfen – Kenntnisse auch des Verfahrensrechts und des Sozialversicherungsrechts über das Statusverfahren hinaus. Auf jeden Fall braucht es konkrete Regelungen, die für den Praktiker und die Praktikerin Sicherheit schaffen.

Frage 2: Heute werden jeden Monat weit mehr als 14 Mio. Lohn- und Gehaltsabrechnungen allein durch Steuerberater*innen erstellt[1]. Der Berufsstand leistet damit einen wichtigen Beitrag, um die Funktionsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme sicherzustellen, indem er für die ordnungsmäße Ermittlung und Abführung der Beiträge sorgt.

Wie kann aus ihrer Sicht gewährleistet werden, dass sich diese Bedeutung mit Blick auf die Zahlen auch in den gesetzlichen Vertretungsbefugnissen angemessen widerspiegelt?

MdB Matthias W. Birkwald: Die Bedeutung von Steuerberaterinnen und Steuerberatern für das Sozialversicherungssystem ist in der Corona-Krise deutlich geworden, als Anträge für Kurzarbeitergeld gestellt werden mussten. Um diese Funktion in der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft noch zu stärken, muss man nicht nur über gesetzliche Vertretungsbefugnisse nachdenken, sondern vor allem über einen weiteren Lösungsansatz, nämlich über die Zusammenarbeit zwischen Steuerberatern und Rechtsanwälten. Diese Zusammenarbeit ist ja auch rechtlich geregelt, z.B. im Steuerberatungsgesetz und in der Bundesrechtsanwaltsordnung. Hier muss man schauen, ob in der Praxis Probleme auftauchen, die rechtliche Anpassungen und Erleichterungen notwendig machen. Das ist ja eine Konsequenz unserer Wissensgesellschaft: Man kann und muss nicht alles wissen. Aber man muss wissen, wen man fragen kann, mit wem man zusammenarbeiten kann, wen man im Team haben will. Es kann ja auch für Steuerberater entlastend sein zu wissen: „Die x-te Verästelung in der Rechtsprechung zur Abgrenzung von Selbstständigkeit und Arbeitnehmereigenschaft, die zig-te Besonderheit im Verfahrensrecht muss ich nicht selbst parat haben, sondern das kann ich meiner Kollegin, meinem Kollegen übergeben.“

Frage 3: Der Blick in das EU-Ausland zeigt, dass etwa in Österreich, welches über ein vergleichbares Berufsrecht verfügt, nach dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) aus dem Jahr 2017 auch die Beratung und Vertretung in Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen, einschließlich der gerichtlichen Vertretung zu den Steuerberater*innen und Wirtschaftsprüfer*innen berufsgesetzlich ausdrücklich zugewiesenen Tätigkeiten gehören[2].

Könnte es aus Ihrer Sicht ein gangbarer Weg sein, aufgrund der vergleichbaren Berufsbilder in Deutschland und Österreich eine auf das Sozialversicherungsrecht bezogene Regelung auch im deutschen Recht zu etablieren?

 MdB Matthias W. Birkwald: Auch beim Blick auf Österreich möchte ich mal einen Schritt zurücktreten und fragen, ob das für alle Beteiligten sinnvoll und wünschenswert ist, welche Konsequenzen es hätte und welche weiteren Lösungsansätze es gibt. Das Berufsrecht der Steuerberater in Deutschland und Österreich ist vergleichbar, aber nicht identisch. Die Steuerberaterprüfung in Österreich ist schon etwas anders als die in Deutschland: In Österreich gehört im Prüfungsteil „Rechtslehre“ auch das Sozialversicherungsrecht und das Arbeitsrecht zum abgeprüften Wissen (§ 30 Nr. 5 d) Wirtschaftstreuhandberufsgesetz). In Deutschland verlangt das Prüfungswissen andere Schwerpunkte: Da gehört das Sozialversicherungsrecht und das Arbeitsrecht nicht dazu, aber z.B. das Zollrecht (§ 37 Steuerberatungsgesetz). Wenn man die Vertretungsbefugnis in Deutschland ausweiten will, müsste man auch das Prüfungswissen entsprechend erweitern.

Auch deshalb würde ich vorschlagen, noch einmal stärker über eine Zusammenarbeit von Steuerberatern und Rechtsanwälten nachzudenken. Wenn es hier gesetzliche Erleichterungen braucht, müssen die in der nächsten Legislaturperiode vorgenommen werden. Die Zusammenarbeit über Berufsgruppen hinweg wäre ein guter Weg in der Wissensgesellschaft.

 

[1] Vgl. etwa https://www.datev.de/web/de/m/ueber-datev/das-unternehmen/kurzprofil/

[2] Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 WTBG. Steuerberater*innen und Wirtschaftsprüfer*innen dürfen Österreich in gewissem Umfang auch arbeitsrechtliche Verträge gestalten (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 WTBG 2017). In entsprechender Weise sieht auch die österreichische Prüfungsordnung vor, dass das Sozialversicherungsrecht sowie das Arbeitsrecht zu den Prüfungsgebieten der mündlichen Prüfung gehören (vgl. § 9 Abs. 4 Nr. 4 Wirtschaftstreuhandberufs-Prüfungsordnung 2017).

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