1. Brüsseler Berufsrechtsdialog der German Tax Advisers
DStV-Präsident WP/StB Harald Elster debattierte im Livestream mit Anna Cavazzini, der neu gewählten Vorsitzenden des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, über die Zukunft des Berufsrechts von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, ihrer Rolle in der Wirtschaftskrise und über den Bericht des EU-Parlaments zur Zukunft des Dienstleistungsverkehrs. Die Covid-19 Pandemie zwingt die EU-Institutionen in den Shutdown und macht Gespräche vor Ort unmöglich. Darum führten die German Tax Advisers, die Brüsseler Kooperation zwischen dem Deutschen Steuerberaterverband (DStV) und der Bundessteuerberaterkammer (BStBK), ihre Gespräche mit Entscheidungsträgern europäischer Politik online, für alle transparent und mit englischer Simultanübersetzung. Mehr als 400 Anmeldungen aus Deutschland, aber auch aus Belgien, Frankreich oder Rumänien belegen das große Interesse an der Zukunft des Berufsrechts der beratenden und prüfenden Berufe in Europa. Erst vor wenigen Tagen war die Europaabgeordnete Anna Cavazzini (Die Grünen) zur neuen Vorsitzenden des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament gewählt worden. DStV-Präsident WP/StB Harald Elster gratulierte Anna Cavazzini zu ihrer neuen Aufgabe und würdigte sie als wichtige Unterstützerin des Berufstands. Tatsächlich zeichnete Cavazzini sich als Schattenberichterstatterin im bisherigen Verlauf der Verhandlungen des derzeit im EU-Parlament diskutierten Initiativberichts zur Zukunft des Dienstleistungsverkehrs in Europa als Verfechterin eines Berufsrechts aus, das auf Grundlage von Qualität, Compliance und Verbraucherschutz fußt.
Die neugewählte Ausschussvorsitzende berichtete während des Gesprächs von heftigen Diskussionen über die Frage der Liberalisierung von Dienstleistungen des öffentlichen Interesses im EU-Binnenmarkt, die derzeit im EU-Parlament geführt würden. Dabei sei der Binnenmarktausschuss in dieser Frage tief gespalten. Eine Neuigkeit durfte im weiteren Verlauf des Gesprächs nicht zu kurz kommen: Die EU-Kommission gab bekannt, dass sie die beiden umstrittenen Gesetzesvorhaben des sog. Dienstleistungspakets, nämlich die Einführung einer europäischen e-Dienstleistungskarte sowie das Notifizierungsverfahren, zurückziehen werde. Eine Einigung im Ministerrat sei offensichtlich nicht mehr zu erreichen. Der DStV hatte sich in der Vergangenheit aufgrund der Praxisuntauglichkeit und des unverhältnismäßigen Eingriffs in das Subsidiaritätsprinzips vehement gegen beide Vorschläge ausgesprochen. Elster nannte die Ankündigung der EU-Kommission deshalb eine sehr gute Nachricht.
Anna Cavazzini kündigte derweil an, die Mitteilung der EU-Kommission zum Anlass nehmen zu wollen, um den Druck auf die Deregulierungsbefürworter rund um den dänischen Berichterstatter MdEP Morten Løkkegaard zu erhöhen, die im Inititativbericht noch immer auf einem positiven Bezug zum Dienstleistungspaket beharrten und zudem eine Öffnung der Dienstleistungsrichtlinie durchsetzen wollten. Harald Elster wies im weiteren Gespräch auf die Besonderheiten des Berufstandes in Deutschland hin, die während der Covid-19 Pandemie besonders augenfällig waren. Cavazzini verglich die Wichtigkeit der freien Berufe daraufhin etwa mit der kommunalen Daseinsvorsorge, die ebenfalls dem öffentlichen Interesse diene und deshalb nicht einfach liberalisiert werden dürfe. Gleichzeitig merkte sie an, dass es ein Berufsrecht wie in Deutschland in anderen Ländern nicht gebe. Deswegen sei in Diskussionen im EU-Parlament hierzu immer viel Erklärungsaufwand erforderlich.
Außerdem bildete die Diskussion zwischen der Europaabgeordneten Marion Walsmann (CDU) aus dem Binnenmarktausschuss und Prof. Dr. Hartmut Schwab (BStBK) zu aktuellen Themen des Europäischen Dienstleistungsmarktes den Auftakt zu den Brüsseler Berufsrechtsgesprächen.
Stand: 12.11.2020 Lesen hierzu auch: Quo vadis Berufsrecht? Zur Zukunft der EU-Dienstleistungsfreiheit