Ursula von der Leyens neue Ritterschaft (3)
Herzlichen Glückwunsch an Ursula von der Leyen, die am 27. November im Straßburger Europaparlament die Unionskleinodien überreicht bekam. Als einer ihrer letzten Gefolgsleute stieß Thierry Breton, der neue Fürst des Europäischen Binnenmarkts, zur erlesenen Brüsseler Tafelrunde. Last, but not least beenden wir nach Centiloni und Vestager mit dem Franzosen unsere kommissarische Dreierreihe. Griechen sind meist zu spät, Spanier essen nicht vor halb zwei zu Mittag und Deutsche haben keinen Humor. Spätestens, wenn man sich pünktlich um zwölf Uhr mittags mit spanischen und griechischen Kollegen in die Kassenschlange einer der zahlreichen Kantinen im Brüsseler Europaviertel einreiht, weiß man, dass solche nationalen Stereotypen mit höchster Vorsicht zu genießen sind. Dennoch: Als sich die Gerüchte immer weiter verdichteten, dass die neue Binnenmarktkommissarin nicht wie bisher aus Mittel- oder Osteuropa stammen würde, sondern aus Frankreich, nahmen zumindest die deutschen Interessensvertreter Freier Berufe dies mit Wohlwollen zur Kenntnis. Schließlich gelten Franzosen allgemeinhin nicht gerade als übereifrige Missionare des berufsrechtlichen Deregulierungswahns innerhalb der EU-Kommission. Binnenmarktkommissar geworden ist schließlich keine Frau aus Marcrons Partei En Marche, weil die frühere Europaabgeordnete Sylvie Goulard aufgrund von Ungereimtheiten bei der Abrechnung ihrer Assistenten vor ihren Ex-Parlamentskollegen keine Gnade fand. Übrigens, auch auf die Gefahr hin -typisch deutsch- ein wenig selbstgefällig zu klingen: Tatsache und eben kein Stereotyp ist, dass die deutschen Europaabgeordneten, die einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ihrer Wahl mit der Abrechnung ihres Personals betrauen, keine derartigen Probleme haben. Statt Sylvie Goulard wurde mit dem ehemaligen französischen Finanzminister Thierry Breton schließlich ein Konservativer zum Nachfolger der Polin Bienkowska als neuer Binnenmarktkommissar ernannt. Dabei schien anfangs auch seine Bestätigung durch die Parlamentsmitglieder keineswegs sicher. Breton wurden Interessenskonflikte aufgrund seiner Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender des Konzerns Atos nachgesagt.
In Gesprächen mit Abgeordneten ließ Breton bereits durchblicken, dass die Deregulierung des Dienstleistungsmarktes in der Union nicht zu seinen Prioritäten zählen würde. Es bleibt abzuwarten, ob Thierry Breton diesem löblichen Vorsatz treu bleiben wird und, ob er das Treiben seiner Beamten aus der zuständigen Generaldirektion (DG GROW) im ausreichenden Maße im Auge behalten kann. Schließlich will sich Breton neben dem Binnenmarkt zusätzlich auch noch um die Europäische Verteidigungspolitik verdient machen. Neben dem Marktzugang für die Erbringung von Dienstleistungen im innereuropäischen Ausland und einer Erweiterung der Anerkennung von Berufsqualifikationen könnte, trotz bestehender Bedenken in Parlament und Rat, eine Wiederbelebung der derzeit auf Eis liegenden Überbleibsel des Dienstleistungspakets drohen, etwa der europäischen Dienstleistungskarte, die außer Bürokratie hauptsächlich den Abbau von Qualität bei Dienstleistungen fördern würde. Ebenfalls in Bretons Portfolio dürfte der sog. Digital Service Act fallen, der die bestehende E-Commerce Richtlinie zur Haftung von Online-Plattformen und Dienstleistungen ablösen soll. Davon betroffen sind auch E-Plattformen, die Online-Dienstleitungen und Apps zu Steuerfragen anbieten. Der Digital Service Act könnte auch die Einrichtung von digitalen Schnittstellen zwischen Plattformbetreibern und örtlichen Steuerbehörden festlegen, damit Onlineplattformen einen möglichst einfachen Marktzugang innerhalb des Europäischen Binnenmarkts erhalten. Oder eine Abkehr des wichtigen Ziellandprinzips, das für grenzüberschreitende Dienstleister vorschreibt, sich an die Bestimmungen des jeweiligen Landes zu halten, in dem dieser seine Dienstleistungen erbringt. Doch vor Letzterem bewahre uns Breton. Stand: 1.12.2019 Lesen Sie hierzu auch: Ursula von der Leyens neue Ritterschaft (1) Ursula von der Leyens neue Ritterschaft (2)