Ursula von der Leyens neue Ritterschaft (1)
In Bälde soll Ursula von der Leyen und ihr neues Kollegium die Weihen der Europaabgeordneten erhalten und damit die bisherige Kommissionsriege von Jean-Claude Juncker ablösen. Ihre Ziele sind umfangreich, insbesondere in der Steuer- und Binnenmarktpolitik. In einer dreiteiligen Reihe wollen wir deshalb die einschlägigen Protagonisten vorstellen. Den Anfang macht der Italiener Paolo Gentiloni. Ursprünglich sollte die neue EU-Kommission bereits ab 1.11.2019 ihren Platz an der erlesenen Tafelrunde im Brüsseler Berlaymont-Gebäude einnehmen. Doch wurden gleich zu Beginn zwei der auserwählten Mitstreiter der neuen Kommissionspräsidentin vom Europäischen Parlament unsanft aus dem Sattel gehoben. Dann strauchelte auch noch die als Binnenmarktkommissarin auserkorene Französin Sylvie Goulard in den Hearings. Kein Start nach Maß also für Ursula von der Leyen. Mit Bravour meisterte dagegen der neue Kommissar für Wirtschaft und Finanzen den kurvenreichen Parcours aus Fragen der Europaabgeordneten. Paolo Gentiloni, der ehemalige Ministerpräsident Italiens, beerbt damit den scheidenden Franzosen Pierre Moscovici. Gentiloni dürfte gemeinsam mit der italienischen Ausschussvorsitzenden des Wirtschafts- und Währungsausschusses im Europaparlament, Irene Tinagli (beide Partito Democatico) eine schwergewichtige Achse bilden und die europäische Wirtschaftspolitik ganz maßgeblich prägen.
Ein Schwerpunkt seiner beginnenden Amtszeit bildet ein neuer Umweltbesteuerungsrahmen des sog. New Green Deals, darunter auch die Einführung einer europaweiten Co2-Steuer. Um heimische Unternehmen keinen nachteiligen Wettbewerbsverzerrungen auszusetzen, will die Europäische Kommission als Ausgleich ein sog. Green-Border-Adjustment festzurren. Dadurch würden Unternehmen aus Ländern, die etwa nicht an das Pariser Klimaabkommen gebunden sind, einen adäquaten Ausgleich bei Importen in die Europäische Union leisten müssen. Es bleibt abzuwarten, ob eine solch protektionistische Maßnahme die Zustimmung der Regierungschefs erhalten wird. Ebenfalls in Angriff genommen wird die Reform der aus dem Jahr 2003 stammenden Energiesteuerrichtlinie, die zu einer Neujustierung der Besteuerung von Strom, Kraft- und Heizkosten führen dürfte. Ins Zentrum Europäischer Fiskalpolitik dürfte auch die Einführung einer konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage (GKKB) zur einheitlichen Berechnung von Unternehmensgewinnen in den Mitgliedstaaten rücken. Dadurch soll eine Verlagerung von Unternehmensgewinnen in andere Mitgliedstaaten erschwert werden. Zudem beabsichtigt die Europäische Kommission, möglichst in Verbund mit OECD und G20, die kontrovers diskutierte sog. Digitalsteuer einzuführen und damit neue Kriterien für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen festzulegen. Gentiloni kündigte bereits an, dass er spätestens Ende 2020 in der Sache auch zu einem Alleingang der Europäischen Union ansetzen werde, sollten bis dahin keine zielführenden Verhandlungsergebnisse vorliegen. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beauftragte ihren neuen Kommissar für Wirtschaftsfragen auch damit weitere Schritte gegen Steuerbetrug, Steuerflucht und Steuervermeidung durch eine engere Zusammenarbeit der Finanzbehörden zu unternehmen. Dabei soll insbesondere der Maßnahmenkatalog gegen Drittländer, die nach der Bewertung der Europäischen Kommission auf der Blacklist sog. nichtkooperativer Länder in Steuersachen geführt werden, vollständig ausgeschöpft werden. Um diese Ziele zu erreichen, kündigte die Europäische Kommission an, all ihre Möglichkeiten nutzen zu wollen, um Gesetzesinitiativen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen und dadurch das grundsätzlich für Steuerpolitik geltende Einstimmigkeitsprinzip der Mitgliedstaaten im Europäischen Rat zugunsten einer qualifizierten Mehrheit zu umgehen. Stand: 11.10.2019 Lesen Sie hierzu auch: Ursula von der Leyens neue Ritterschaft (2) Ursula von der Leyens neue Ritterschaft (3)