Umsatzsteuerliche Stolpersteine bei Gutscheinausgabe
Seit sich die Umsatzbesteuerung bei Gutscheinen danach unterscheidet, ob ein Einweck- oder Mehrzweck-Gutschein vorliegt, stellen sich viele Praxisfragen. Diese gewinnen durch die temporäre Absenkung der Umsatzsteuersätze eine besondere Brisanz. Zwei BMF-Schreiben schaffen nun mehr Klarheit. Aber Achtung: Die Auffassung der Finanzverwaltung geht teilweise über die gesetzlichen Anforderungen hinaus.
Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende entgegen. Mit ihm die temporär abgesenkten Umsatzsteuersätze. Insbesondere bei der Ausgabe von Gutscheinen stellen sich derzeit viele Unternehmer die Frage, wann und in welcher Höhe Umsatzsteuer anfällt. Der Steuerrechtsausschuss des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV) nimmt dies zum Anlass, auf einige Fallstricke hinzuweisen:
Die Grundsatzfrage: Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein
Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein. Das ist seit Beginn 2019 die entscheidende Frage. Mit der Einführung des § 3 Abs. 13 bis 15 UStG setzte der Gesetzgeber die Regelungen der EU-Gutschein-Richtlinie um. Die Unterscheidung in Einzweck- bzw. Mehrzweck-Gutschein löst seitdem die bis dato relevante Qualifikation als Wert-, Waren- oder Sachgutschein ab. Die Unterscheidung wirkt sich auf den Zeitpunkt der Besteuerung aus: Während bei Einzweck-Gutscheinen die Ausgabe bereits der Leistungserbringung gleichsteht und damit der Umsatzbesteuerung unterliegt, ist bei Mehrzweck-Gutscheinen erst die Einlösung des Gutscheins umsatzsteuerlich relevant. Nicht unter den Anwendungsbereich fallen Gutscheine, die den Inhaber nur zu einem Preisnachlass oder einer Preiserstattung berechtigen. Ein Einzweck-Gutschein zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer bei Ausstellung des Gutscheins feststeht. Andernfalls liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor.
Die strenge Sicht der Finanzverwaltung
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat mit dem BMF-Schreiben vom 2.11.2020 die Voraussetzungen für Einzweck-Gutscheine weiter konkretisiert. Es enthält erfreulicherweise etliche Beispielsfälle. Die Grundsätze des Schreibens gelten grundsätzlich rückwirkend zum 1.1.2019. Bis 2.2.2021 sollen abweichende Behandlungen jedoch nicht beanstandet werden. Die Verwaltung äußert sich beispielsweise näher zur Voraussetzung der Ortsbestimmung einer Gutscheinleistung: So muss zur zutreffenden Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung, deren Ortsbestimmung vom Status des Empfängers abhängt, feststehen, ob der Leistungsempfänger sie als Unternehmer bezieht. Kann dies nicht bestimmt werden, handelt es sich bei dem ausgegebenen Gutschein nicht um einen Einzweck-Gutschein.
Achtung: Nach Ansicht der Finanzverwaltung müssen für das Vorliegen eines Einzweck Gutscheins der Leistende und die Gattung der Leistung auf dem Gutschein genannt sein. Diese Vorgaben gehen über den gesetzlichen Wortlaut hinaus. Ferner soll der Gutschein eindeutig als Einzweck-Gutschein gekennzeichnet werden. Auch das sieht das Gesetz eigentlich nicht vor. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt der DStV-Steuerrechtsausschuss Unternehmern, ihre Einzweck-Gutscheine dahingehend zu überprüfen.
Gutscheinausgabe bei abgesenkten Umsatzsteuersätzen
Angesichts der bis Jahresende 2020 abgesenkten Umsatzsteuersätze scheint die Ausgabe von Einzweck-Gutscheinen besonders verlockend. Schließlich gelten derzeit noch die abgesenkten Umsatzsteuersätze. Aber aufgepasst: Hier könnten umsatzsteuerliche Risiken lauern. In einem ergänzenden BMF-Schreiben vom 4.11.2020 zur befristeten Absenkung der Umsatzsteuersätze führt die Finanzverwaltung u.a. zur Ausgabe von Gutscheinen für verbindlich bestellte Gegenstände Folgendes aus: Die Ausstellung eines als Gutschein bezeichneten Dokuments für einen verbindlich bestellten Gegenstand, bei dem ein späterer Umtausch, eine Barauszahlung oder eine Übertragung des Gutscheins auf einen anderen Verkäufer bzw. Käufer ausgeschlossen ist und dessen Ausstellung mit einer Abnahmeverpflichtung verbunden ist, ist eine Anzahlung, die gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist, zu versteuern ist. Wird der bestellte Gegenstand erst im Folgejahr geliefert, heißt das: Die Besteuerung erfolgt (ggf. nach einer Berichtigung) zum wieder erhöhten Umsatzsteuersatz.
Zum Teil ist umstritten, ob bis Jahresende überhaupt Einzweck Gutscheine ausgestellt werden können, wenn der Gutschein sowohl 2020 als auch 2021 oder später eingelöst werden kann. Schließlich steht die geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins nicht fest (vgl. die Ausgabemöglichkeit bejahend Rust/Tillmanns, USt direkt digital 21/2020, S. 17, NWB CAAAH-62530; Hammerl/Fietz, NWB 2020, S. 3538; a.A.: Huschens, Umsatzsteuerforum 2020). Ob der Gesetzgeber dies jedoch so verstanden haben wollte, ist streitbar. Der DStV-Steuerrechtsausschuss möchte Betroffene daher sensibilisieren.
Tipp: Gelten die angehobenen Umsatzsteuersätze wieder, dürfte es für Unternehmer vorteilhaft sein, Gutscheine als Mehrzweck Gutscheine auszugestalten. Wird ein Mehrzweck-Gutschein nämlich nicht eingelöst, unterliegt der erhaltene Betrag nicht der Umsatzbesteuerung. Bei Einzweck-Gutscheinen unterliegt der Betrag hingegen bereits bei Gutscheinausgabe der Besteuerung, egal ob er danach eingelöst wird oder nicht. Stand: 1.12.2020 Lesen Sie hierzu auch: Der Entwurf des BMF-Schreibens zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen erblickt endlich das Licht der Welt DStV für mehr Rechtssicherheit bei der Umsetzung der Gutschein-Richtlinie