Steuerrisiko für Senioren: DStV-Präsident wirbt für Abzugsteuer
Immer mehr Rentnerinnen und Rentner werden vom Finanzamt überrascht. Teils treffen sie kaum schulterbare Konsequenzen. DStV-Präsident Lüth sieht seit langem dringenden Reformbedarf und gewinnt Mitstreiter.
Der demographische Wandel führt zu einer zunehmenden Zahl von Rentnerinnen und Rentnern. Parallel erfolgt die Umstellung auf die nachgelagerte Besteuerung der Rentenbezüge und der sukzessive Wegfall der Steuerbefreiung. Das hat für viele Rentenbeziehende unerwartete Auswirkungen: Das Finanzamt fordert die Abgabe von Steuererklärungen - häufig für mehrere zurückliegende Jahre. Anschließend setzt es Steuernach- und Vorauszahlungen fest. Für diejenigen, die in der Vergangenheit nur Arbeitnehmereinkünfte hatten, keine Steuererklärungen abgegeben haben und von einer kleinen Rente leben müssen, führt dies schnell zur Überforderung. Den automatischen Lohnsteuerabzug gewohnt, haben sie kein Liquiditätspolster für Zahlungen an den Fiskus. Um Hilfe bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten zu finden, beschreiten viele den Weg zur Steuerkanzlei oder gar zum Finanzamt - das erste Mal in ihrem Leben.
„Rentenabzugsteuer“ als Lösung
StB Torsten Lüth, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV), kennt diese Situation aus seinem Kanzleialltag in Parchim, Mecklenburg-Vorpommern, zu gut. Zunehmend mehr Rentnerinnen und Rentner wenden sich an ihn. Ratlosigkeit, Unsicherheit und teils Unverständnis prägen ihre Sichtweise. Um ihnen die bürokratischen und finanziellen Herausforderungen zu nehmen, wirbt Lüth seit Jahren für ein automatisches Abzugsteuerregimes für Senioren (vgl. FAZ vom 13.09.2021). Das System sollte sich an dem Lohnsteuerabzug bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern orientieren.
Einen Mitstreiter hat er im Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern (FinMin M-V) gefunden. In einem Gedankenaustausch stellte es ihm Überlegungen für eine mehrstufige Einführung einer Quellenbesteuerung für Renteneinkünfte vor. Nach dem FinMin M-V führe die aktuelle Rentenentwicklung auch zu einer höheren Arbeitsbelastung in den Finanzämtern. Das FinMin M-V teile Lüths Einschätzung. Eine Reform des Besteuerungsregimes für Alterseinkünfte erscheine unumgänglich.
Mögliches Konzept
Analog zur Lohnsteuer könnte ein solches Konzept insbesondere folgende Bestandteile umfassen:
- Ermittlung, Einbehalt und Abführung der Rentenabzugsteuer an das Finanzamt durch den Rententräger + elektronische Übermittlung der „Rentensteuer“-Daten an die Finanzverwaltung
- Zur Verfügungstellung von Steuerabzugsmerkmalen, die dem Rententräger nicht, aber ggf. dem Finanzamt vorliegen, in einem angepassten ELStAM-Verfahren
- Grundsätzliche Befreiung von der Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung - Ausnahmen gem. § 46 EStG analog
- Möglichkeit zur freiwilligen Abgabe einer Steuererklärung, etwa zur Geltendmachung von Krankheitskosten
Erstes politisches Gespräch
Lüth wandte sich mit dem Vorschlag jüngst an maßgebliche Entscheidungsträger der SPD-Bundestagsfraktion. MdB Michael Schrodi, finanzpolitischer Sprecher der SPD, und MdB Frauke Heiligenstadt, SPD-Berichterstatterin für Rentenbesteuerung, zeigten großes Interesse und Verständnis. Der gute Austausch soll fortgesetzt werden.