„Stop the Clock“

Im Eilverfahren hat das EU-Parlament eine Verschiebung von Nachhaltigkeits- und Sorgfaltsberichtspflichten für Unternehmen beschlossen. Zuvor hatte bereits der Rat der EU grünes Licht für die Verhandlungen mit den Europaabgeordneten gegeben. Die Verschiebung könnte also schnell umgesetzt werden. Für die Rechtssicherheit von Wirtschaft, Beratern und Prüfern ist dies dringend geboten.
„Stop the Clock“ hat weder mit den leidigen Diskussionen um die Umstellung auf Sommerzeit zu tun, noch ist damit ein Album der britischen Rockband Oasis gemeint. „Stop the Clock“ ist EU-Sprache und bezeichnet den Richtlinienvorschlag, der die Einführung von Nachhaltigkeits- und Sorgfaltsberichtspflichten für bestimmte Unternehmen verschieben soll.
Am 26.2.2025 veröffentlichte die EU- Kommission den sog. Omnibus I, einen Vorschlag für ein Richtlinienpaket zur Vereinfachung von Berichtspflichten von Unternehmen bei der Nachhaltigkeit (CSRD) und der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette (CS3D). Damit will die EU-Kommission Unternehmen von Verwaltungsaufwand entlasten und ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Tatsächlich soll mit dem Vorschlag die zuvor verabschiedete Überbelastung der Unternehmen abgemildert werden.
Schließlich war Omnibus 1 nicht zuletzt die Folge berechtigter Klagen der Wirtschaft über ein Übermaß an Bürokratie. Zugleich war es aber auch die Konsequenz der lobenswerten Erkenntnis von Teilen der gesetzgeberischen Organe, dass das Rad der Belastbarkeit für Wirtschaftsakteure nicht beliebig weitergedreht werden kann.
Ein zentraler Punkt des Omnibus 1 ist eine signifikante Begrenzung des Anwendungsbereichs der CSRD. Danach sollen nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, einem Umsatz von mehr als 50 Mio. € oder einer Bilanzsumme von 25 Mio. € zum Nachhaltigkeits-Reporting gemäß der CSRD verpflichtet werden. Nach den Angaben der EU-Kommission würden damit 80% der bisher verpflichteten Unternehmen aus dem Anwendungsbereich fallen.
Für den DStV ist das ein guter Vorschlag, der zeigt, dass die EU-Kommission beim Bürokratieabbau nicht zu kleckern, sondern zu klotzen gedenkt.
Die Krux beim Omnibus 1: Die CSRD hätte von den nationalen Gesetzgebern seit dem 1.1.2025 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Deutschland etwa ist deshalb im Verzug, weswegen die EU-Kommission eigentlich angehalten wäre rechtliche Schritte gegen das umsetzungsunwillige Mitglied einzuleiten. Andererseits wären im Falle einer Umsetzung der bestehenden CSRD die 80% der Unternehmen temporär zur Berichtserstattung verpflichtet worden. Also die Unternehmen, die nun wieder aus dem Anwendungsbereich genommen werden sollen. Selten hätte der Begriff „unzumutbar“ für so eine kost- und ressourcenspielige Einführung der Berichtspflicht für diese Unternehmen besser gepasst.
Daher hat sich der Europäische Gesetzgeber mit „Stop the Clock“ dazu entschlossen, die Uhr anzuhalten, die Einführung der Berichtspflichten für diese Unternehmen zu verschieben und damit die Mitgliedstaaten aus dem Umsetzungsverzug zu entlassen. Gleichzeitig verschafft „Stop the Clock“ dem Gesetzgeber die erforderliche Zeit, um die eigentlichen Vereinfachungen der Berichtspflichten von CSRD und CS3D zu verhandeln.
Mit der im sog. Eilverfahren vorgenommen Abstimmung hat das EU-Parlament gezeigt, dass es zu einer schnellen Entscheidungsfindung in der Lage ist. Ebenso der Rat der EU. Das ist schon mal eine gute Nachricht für eine handlungsfähige Demokratie.
Nach „Stop the Clock“ bräuchte es jetzt allerdings noch ein „Lessons learned“ und damit die vollständige Verabschiedung des Omnibus 1-Vorschlags zur Entlastung von Nachhaltigkeits-Berichtspflichten. Wohlgemerkt, von Berichtspflichten auf die sich zahlreiche Unternehmen bereits vorbereitet hatten und die vom Gesetzgeber nun zurückgenommen werden sollen, bevor sie überhaupt in nationales Recht umgesetzt wurden. In der Nachbetrachtung ist dieses Vorgehen sicherlich eine unnötige Rolle rückwärts, die man der Wirtschaft, Prüfern und Beratern hätte ersparen können.
Aber Einsicht ist ja bekanntlich der Weg zur Besserung.