3 Fragen an MdB Lothar Binding (SPD)- finanzpolitischer Sprecher



Ein Blick auf steuerpolitische Weichen vor der Bundestagswahl

 

Der steuerberatende und wirtschaftsprüfende Berufsstand hat sich im Rahmen der Krisenbewältigung der Corona-Pandemie als verlässlicher Partner für Wirtschaft und Politik erwiesen. Dafür nimmt er derzeit außerordentliche Belastungen in Kauf. Natürlich stellen sich viele Mitglieder die Frage, wie es nach der Wahl weitergeht - welche steuerpolitischen Rahmenbedingungen für sie in der kommenden Legislaturperiode herrschen. Insbesondere fürchten viele zunehmende Bürokratie, die den Kanzleialltag weiter erschweren würde. Gern möchten wir Ihnen zu möglichen Be- bzw. Entlastungen 3 konkrete Fragen stellen:

 

Frage 1: Das Vorhaben zur Modernisierung der Thesaurierungsbegünstigung für Personenunternehmen und Einzelunternehmer hat die Politik bereits seit vielen Jahren auf dem Zettel. Erst jüngst sollten die steuerlichen Rahmenbedingungen für mittelständische Personengesellschaften und Familienunternehmen mit dem Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts verbessert werden. Problematisch hieran: Das mit dem Gesetz neu eingeführte sog. Optionsmodell ist allenfalls für große Gesellschaften mit deutlichem Thesaurierungspotential interessant. Wie wollen Sie künftig die besonderen Bedürfnisse des Mittelstands – dem „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ - stärker berücksichtigen und eine Stärkung der Eigenkapitalbasis von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erreichen?

 

MdB Lothar Binding:

Die SPD hat sich die Stärkung kleinerer, jüngerer und innovativer Unternehmen zum Ziel gesetzt.

Mit dem KöMoG haben wir eine Option zur Körperschaftsteuer eingeführt, die es Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften ermöglicht, ohne einen tatsächlichen Rechtsformwechsel wie eine Kapitalgesellschaft behandelt zu werden. Damit stehen diesen Gesellschaften die Vorteile der Körperschaftsbesteuerung offen, die u.a. in einer niedrigeren Belastung thesaurierter Gewinne besteht. Die Beschränkung der Option auf Personengesellschaften erweist sich bei näherer Betrachtung als keine unüberwindliche Hürde. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts könnte nach den im Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts enthaltenen Änderungen künftig ebenfalls in den Kreis der optionsberechtigen Gesellschaften aufgenommen werden. Einzelunternehmen bleibt die Möglichkeit, sich in eine Personenhandelsgesellschaft umzuwandeln, um eine Option ausüben zu können.

Durch die Einführung der steuerlichen Forschungsförderung haben wir die Innovationskraft vor allem kleinerer Unternehmen gestärkt.

Zur Stärkung der Eigenkapitalbasis kleiner und mittlerer Unternehmen haben wir außerdem den Investitionsabzugsbetrag verbessert.

Wir wollen uns auch künftig für kleine und innovative Unternehmen stark machen. Dazu werden wir die steuerliche Forschungsförderung evaluieren und den sich dabei herausstellenden Anpassungsbedarf vornehmen. Wir werden uns auch weiterhin für gute steuerliche Rahmenbedingungen für Investitionen einsetzen. Wie sehr wir auf Bedürfnisse des Mittelstands – dem „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ – eingehen und „wie sehr wir bei der Stärkung der Eigenkapitalbasis“ den Staat engagieren, hat die jüngste Corona-Pandemie gezeigt.

 

Frage 2: Die lange Dauer steuerlicher Außenprüfungen ist für viele Unternehmen und deren steuerliche Berater eine echte Belastung. Gerade KMU beklagen die langanhaltende Rechtsunsicherheit, die oftmals mit finanziellen Risiken und bürokratischem Aufwand zur Ermittlung der Sachverhalte einhergeht. Europäische Nachbarländer, wie Österreich oder die Niederlande, wirken dem bereits mit dem Konzept der begleitenden Kontrolle entgegen. Wie kann die steuerliche Außenprüfung, gerade für KMU, besser ausgestaltet werden?

 

MdB Lothar Binding:

Der in der BpO definierte bundeseinheitliche Standard räumt den Finanzämtern vor Ort bereits heute Möglichkeiten ein, gemeinsam mit den Unternehmen individuelle und pragmatische Lösungen zu erarbeiten, die zu einer größeren Gegenwartsnähe der Prüfungen führen. Eine zeitnahe Betriebsprüfung ist nicht zuletzt auch von der Mitwirkungsbereitschaft der Steuerpflichtigen abhängig und lässt sich deshalb nicht in allen Fällen umsetzen.

Gegen die in Österreich eingeführte begleitende Betriebsprüfung habe ich Bedenken. Sie basiert auf einem internen Kontrollsystem, welches von der Finanzverwaltung genehmigt werden muss. Die Finanzverwaltung geht somit von einer inhaltlichen zu einer verfahrenstechnischen Prüfung über. Ich habe Zweifel, ob dadurch eine wirkliche Verifikation der Unternehmensabschlüsse möglich ist.

 

Frage 3: Mit dem Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen treffen den Berufsstand zusätzliche Meldepflichten. Ziel der Pflicht soll sein, unliebsame Steuergestaltungen frühzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Die Evaluation, ob die Anzeigepflicht den gewünschten Erfolg hat, ist noch offen. Dies dürfte erst eine gesamteuropäische Betrachtung zeigen können. Nichtsdestotrotz diskutieren einige politische Vertreter bereits jetzt eine ergänzende Mitteilungspflicht für nationale Gestaltungen. Dies dürfte zu einem signifikanten Mehraufwand, Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisiken für Steuerpflichtige und ihre Berater führen. Gerade kleine und mittlere Kanzleien fürchten die damit verbundene Bürokratie bei ohnehin knappen Personalressourcen und die Belastung des meist langjährig gewachsenen Mandatsverhältnisses. Wie stehen Sie zu dem Vorstoß, Anzeigepflichten für rein nationale Steuergestaltungen zu implementieren?

 

MdB Lothar Binding:

Eine Evaluation der grenzüberschreitenden Anzeigepflicht liegt noch nicht vor. Die befürchtete und in vielen Podiumsdiskussionen beschworene Flut an Anzeigen ist aber ausgeblieben. Nach Auskunft der Finanzverwaltung ist für den Zeitraum Mitte 2018 bis Mitte 2021 eine niedrige fünfstellige Zahl von Anzeigen eingegangen. Nach meinen Informationen war die Finanzverwaltung bisher auch in der Lage, in konkreten Fällen auftretende Unklarheiten gemeinsam mit den meldepflichtigen Steuerberatern aufzulösen.

Um unfaire Steuergestaltungen früher – rechtzeitig – erkennen und abstellen zu können, spreche ich mich auch für die Einführung einer nationalen Anzeigepflicht aus. Nach den ersten Erfahrungen mit der grenzüberschreitenden Anzeigepflicht bin ich optimistisch, dass auch eine nationale Anzeigepflicht praktisch handhabbar sein wird.

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