3 Fragen an MdB Gerald Ullrich (FDP)
3 Fragen – 3 Antworten: DStV-Präsident StB Torsten Lüth befragt mit Blick auf die Bundestagswahl die Abgeordneten aus den für Berufs- und Europarecht zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages. Der steuerberatende und wirtschaftsprüfende Berufsstand hat sich im Rahmen der Krisenbewältigung der Corona-Pandemie als verlässlicher Partner für Wirtschaft und Politik erwiesen. Dafür nimmt er derzeit außerordentliche Belastungen in Kauf. Natürlich stellen sich viele die Frage, wie es nach der Wahl weitergeht.
Wenige Wochen vor dem Wahltermin hat sich StB Torsten Lüth, Präsident des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV), mit jeweils drei zentralen Fragen aus den Bereichen Berufs- und Europarecht an die jeweils zuständigen Abgeordneten der Bundestagsfraktionen gewandt. In diesem Beitrag antwortet Gerald Ullrich, MdB Obmann seiner Fraktion für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Frage 1: Das Berufsrecht der Steuerberater*innen in Deutschland unterliegt den Regeln des Europäischen Binnenmarktes und damit nach Artikel 4 Abs. 2 der AEUV der geteilten Zuständigkeit sowie dem Subsidiaritätsprinzip.
Sehen Sie aufgrund des zunehmenden Drucks der Europäischen Kommission sog. „Hindernisse“ im Europäischen Binnenmarkt abzubauen mittelfristig noch eine Gestaltungsmöglichkeit für den nationalen Gesetzgeber bei den bestehenden Berufsrechten der Steuerberater*innen? Oder sind die Freien Berufe, so wie wir sie heute kennen, ein Auslaufmodell?
MdB Gerald Ullrich: Wir Freie Demokraten sind und bleiben die Sachwalter der Freien Berufe als wichtiges Standbein der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft. Gerade in den Corona-Krisenjahren haben die Steuerberaterinnen und Steuerberater ihre äußerst wichtige Rolle für unser Land ein weiteres Mal ausdrücklich bewiesen. Die effiziente Verteilung der Corona-Hilfen haben wir eindeutig dem hohen Einsatz der Mitglieder dieses Berufsstandes zu verdanken. Wir setzen uns daher auch künftig dafür ein, dass Steuerberater ihre wichtigen Aufgaben in vollem Umfang wahrnehmen können: sowohl im Interesse ihrer Mandanten als auch der Finanzverwaltung. Aufgrund der besonders hohen Komplexität des deutschen Steuerrechts ist dies allerdings nur dann möglich, wenn dem nationalen Gesetzgeber die Gestaltungsmöglichkeiten bei den bestehenden Berufsrechten im Rahmen des geltenden EU-Rechts weiterhin erhalten bleiben. Derzeit hält die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG fest, dass jeder Staat das Recht hat, den Zugang und die Ausübung eines Berufs von bestimmten Qualifikationen abhängig zu machen. Bei freien Berufsständen wie Steuerberatern, macht dies allein schon mit Blick auf ihre besonders umfangreiche Ausbildung viel Sinn. Deswegen werden wir die aktuellen Harmonisierungspläne der EU-Kommission für den europäischen Binnenmarkt auf jegliche Auswirkungen für freie Berufe sehr präzise beobachten und auch kontrollieren, dass diese vorab einer strengen Subsidiaritätsprüfung unterzogen werden.
Frage 2: In internationalen Fachkreisen gilt das deutsche Berufsrecht mit den Steuerberater*innen als Organ der Steuerrechtspflege allgemeinhin als beispielhaft für die Sicherung von hoher Qualität, den Schutz von KMU, von Verbrauchern und als verlässliche Komponente für die Finanzbehörden. Die Europäische Kommission begründet die Notwendigkeit eines Abbaus von sog. „Hindernissen“, sprich Berufsrechten im Europäischen Binnenmarkt, dagegen mit mehr Wirtschaftswachstum. Rechtfertigt diese Begründung den Abbau von Berufsrechten?
MdB Gerald Ullrich: Als Organ der Steuerrechtspflege erfüllen Steuerberater in Deutschland eine wichtige Doppelrolle: als kompetente Berater für ihre Mandanten einerseits und als wichtige Ansprechpartner für die Finanzverwaltung in der Kommunikation mit den Mandanten andererseits. Diese besondere Konstellation der Zusammenarbeit darf nicht gefährdet werden. Zudem müssen wir die hohe Beratungsqualität unserer Steuerberater, die u.a. durch ihre recht komplexe Ausbildung gewährleistet wird, aufrechterhalten. Dafür werden wir uns Freie Demokraten weiterhin einsetzen. Auch in Bezug auf das laufende Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission aufgrund der Vorbehaltsaufgaben der deutschen Steuerberater wollen wir dafür sorgen, dass die Bundesregierung hier keine falschen Zugeständnisse an Brüssel macht.
Frage 3: Was ist Ihnen mit Blick auf Deutschlands Rolle in Europa besonders wichtig?
MdB Gerald Ullrich: Die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt: Für eine demokratische, wirtschaftlich starke und handlungsfähige EU muss und kann noch einiges getan werden. Wir sollen endlich damit aufhören, Probleme, die wir in Deutschland nicht lösen können, auf die EU zu schieben und dann zu schimpfen, wie sie in Brüssel gelöst wurden. Dafür muss die EU ihre Strukturen grundlegend umdenken und entsprechende institutionelle Reformen anstoßen, um Bürokratie abzubauen, Bürgerbeteiligung zu fördern und die Handlungsfähigkeit der EU-Institutionen zu stärken. Das Initiativrecht für das EU-Parlament, Erweiterung der qualifizierten Mehrheitsentscheide im EU-Rat, Verkleinerung der EU-Kommission oder Einführung der transnationalen Listen für die Europawahl sind nur einige der dringend benötigten Reformen, die wir vorantreiben wollen. Auch im Bereich der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik muss Deutschland mehr Verantwortung übernehmen, damit die EU hier zu einem global player wird, eigene militärische Fähigkeiten entwickelt und mit einer Stimme spricht. Wir wollen ein zukunftsorientiertes und wettbewerbsfähiges Europa, das auf Bildung, Digitalisierung, Technologieoffenheit und Innovationen setzt. Deutschland muss auch hier seiner wichtigen Rolle und seinem Einfluss gerecht werden.